Worst of Grazer Verbote seit Siegfried Nagl
Siegfried Nagl ist seit 2003 Bürgermeister der Stadt Graz, solange, dass sich viele kaum an eine Zeit davor erinnern können. In den letzten 18 Jahren hat sich die Stadt stark verändert, nicht immer zum Besseren. Zeit für mein persönliches Resümee.
Wenn es um Siegfried Nagl, Bürgermeister der Stadt Graz und Häuptling der Augartenbucht, Schiffsanlegestelle und zukünftiger U-Bahn, geht, spalten sich die Meinungen der Grazer*innen. Kaum einer meiner Bekannten hat je ein positives Wort über ihn verloren. Andererseits wird er immer wieder und wieder und wieder gewählt. So oft, dass ich nachlesen musste, wann er eigentlich Bürgermeister wurde.
Nagl löste im Jahr 2003, als Graz zur Kulturhauptstadt Europas wurde, Alfred Stingl von der SPÖ ab. Im selben Jahr gab er die Aussage ab, dass er sich weigere, „Homosexualität zur Normalität in unserer Gesellschaft zu erklären“ und hoffe, dass „der Glaube vielleicht für diese Menschen dazu führen könnte, dass sie mit dieser Form des Zusammenlebens aufhören“. Und das vom Bürgermeister der „Menschenrechtsstadt“ Graz?! Ich erspare euch an dieser Stelle meine persönliche Meinung zu dieser Aussage. Lieber gebe ich eine Übersicht über manche der bizarren Verbote machen, die unter der Nagl-Herrschaft eingeführt wurden.
Alkoholverbot in der Innenstadt
Ein gutes und bekanntes Beispiel für die Grazer Verbotspolitik ist das Alkoholverbot, das schon lange nicht mehr nur den Hauptplatz betrifft. Verboten ist das Konsumieren alkoholischer Getränke auf offener Straße unter anderem im Univiertel, der Mondscheingasse, der Hans-Sachs-Gasse, der Herrengasse, dem Lendplatz und auf der Murbrücke.
Musik und Lärm
Wenn es um Musik- und Lärmbelästigung geht, gilt in Graz: Hauptsache niemanden stören, der sich eventuell gestört fühlen könnte. Um die Straßenmusik in Graz einzudämmen, gibt es sogar eine eigene Straßenmusikverordnung, die vorschreibt, dass jede*r Musiker*in eine Genehmigung vor dem Auftritt braucht. Ob es dabei tatsächlich um Lärmschutz geht, oder darum, Roma aus der Innenstadt zu vertreiben, ist seit jeher Diskussionspunkt. Immerhin wird das Gesetz rigoros eingehalten, sogar als Mario Eustacchio (FPÖ) probierte, Punks beim Billa am Hauptplatz mit klassischer Musik aus seinem Bürofenster zu vertreiben – auch er musste wegen fehlender Erlaubnis eine Geldstrafe zahlen. Oh, du süße Schadenfreude.
Die Gehsteige werden in Graz um 22 Uhr hochgeklappt, wenn die Musik auch im allerletzten Gastgarten abgedreht wird, damit sich Anreiner*innen nicht gestört fühlen. Schon klar, dass Lärm scheiße ist, wenn man schlafen will. Trotzdem wäre eine Lockerung in Ausnahmefällen oder am Wochenende sinnvoll, zumindest wenn man auch Mal etwas für junge Menschen machen will (Graz wurde übrigens 2008 zur seniorenfreundlichen Gemeinde gewählt, just saying). Ähnlich eingleisig verlief vor ca. zehn Jahren der Streit zwischen den Univiertel-Lokalen und Siegfried Nagl in Bezug auf die Sperrstunden. Bemerkenswert war dabei die damalige Plakatkampagne, die das gesamte Partyvolk als böse Vandalen abstempelte – und die noch immer online ist.
Erholungsgebiet Stadtpark
Dass in den Grazer Parks das Grillen verboten ist, leuchtet mir ja noch ein – wobei es in anderen Städten durchaus öffentliche Grillstationen gibt. Dass es in den meisten Grazer Parks aber verboten ist, mit dem Fahrrad zu fahren, ist reine Schikane für Freunde der sanften Mobilität. Exekutiert wird dieses Gesetz übrigens zumeist von Fahrradpolizist*innen. Mehrere Grazer Parks (Metahofpark, Volksgarten, Teile des Stadtparks) wurden seit 2019 außerdem zu Schutzzonen erklärt. Das bedeutet im Grunde nichts anderes als erhöhte Polizeipräsenz in den Gebieten – bei einem Strafvergehen kann ein Betretungsverbot ausgesprochen wird.
Das Silvesterwasserwerk
Statt die Feinstaubwerte in Graz durch Verkehrsregulierungen, mehr Grünflächen oder den Ausbau des Öffi-Netzes zu senken, gibt’s in Graz eine viel effektivere, wenn auch nur einmal im Jahr in Kraft tretende Aktion: das Verbot von Feuerwerkskörpern zu Silvester. Ob es der richtige Weg ist, Graz das Feuerwerk zu nehmen und stattdessen durch eine bestenfalls unterwältigende Wassershow zu ersetzen? Da würde ich mir persönlich lieber eine ordentliche Feier des neuen Jahres und nachhaltigere Lösungen für den Rest des Jahres wünschen.
Grobe Mobilität
Dass man sich in Graz wenig um die Unterstützung sanfter Mobilität kümmert, zeigt sich alleine dadurch, dass bei uns 2020 kein einziger neuer Meter an Fahrradwegen gebaut wurde. Das ist Europa-Negativrekord! Ebenso bekamen Anbieter wie Lime oder Bolt Absagen, in Graz den Verleih von E-Rollern anzubieten. Skater*innen wiederum bekamen einen Schlag ins Gesicht, als ihnen mit dem überzogenen (und europaweit einzigartigen) Trickverbot verboten wurde, Tricks im öffentlichen Raum durchzuführen. Das ist nicht nur ein Eingriff in die Freiheit der Skater*innen, sondern ein Angriff gegen eine Jahrzehnte lang bestehende Subkultur von Graz. Aber um Kultur ohne roten Teppich und Sektempfang scheint sich die Stadtpolitik wenig zu kümmern.
Neben Kulturhauptstadt, City of Design, Menschenrechtsstadt und Studentenhauptstadt ist Graz vor allem eines: eine Verbotshauptstadt. Bei vielen Verboten ist völlig unklar, wer davon profitiert. Trotzdem wird in der Öffentlichkeitsarbeit häufig von positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung berichtet – wo diese herkommen, wird selten offengelegt. Bisher habe ich jedenfalls noch kein gutes Wort zu Schutzzonen, Alkoholverbot, Trickverbot und Straßenmusikverordnung gehört. Überhaupt muss es doch bessere Lösungen für das gesellschaftliche Zusammenleben geben, als alles zu verbieten, was jemanden stören könnte. Andere Städte zeigen vor, dass dies möglich ist!
Vergesst bitte nicht, mit einer Stimmabgabe bei der Gemeinderatswahl am 26. September das Grazer Stadtbild mitzubestimmen!
BenLeander
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